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Bevorzugung lokaler Wirtschaftskreisläufe

Beim Handel müssten wieder lokale Kreisläufe bevorzugt werden. Produkte, die in der eigenen Region erzeugt werden, sollten bevorzugt gekauft werden. Nur was es in der Region nicht gibt, wird aus dem nächstgrößeren Gebiet (Region, Bundesland, Land, Kontinent, Welt) gekauft (Prinzip der Subsidiarität). Das könnte durch festgelegte, einheitliche Abstufungen der Mehrwertsteuer erreicht werden. Z.B. +5% auf Produkte aus einer anderen Region, +10% aus einem anderen Bundesland, +15% aus dem gleichen Land, +20% aus einem anderen Land der Wirtschaftsgemeinschaft, +25% aus anderen Ländern des gleichen Kontinents, und +30% für Produkte aus Ländern von anderen Kontinenten. Alle willkürlichen Zölle und Subventionen sollten aber aufgehoben werden (in diesem Punkt bin ich mit den Neoliberalen einer Meinung). Diese prinzipielle Bevorzugung lokaler Wirtschaftskreisläufe würde verhindern, dass z.B. eine Kuh aus Deutschland nach Polen zum Schlachten gefahren wird, um ihr Schnitzel dann in Paris zu verkaufen, obwohl es auch in der Nähe einen Schlachter und Metzger gibt.

Auch beim Systemdesign für Computer achtet man darauf, dass man Module so aufteilt, dass sie den Großteil ihres Datenaustausches intern bewältigen und die Schnittstellen zu anderen Modulen so klein wie möglich sind. Nur dann wird ein System effizient, schnell und verbraucht wenig Energie. Die Kriterien, nach denen die 'richtige' Zuständigkeit ermittelt wird, entsprechen bei der Subsidiarität denen beim objektorientierten Systementwurf.

Dieses Konzept gibt es in den meisten Gebieten der Wissenschaft: In der Systemtheorie heisst es modularer Aufbau, beim Software-Design Objekt-Orientierung, in der Politik Subsidiaritätsprinzip. Auch in der Biologie haben diejenigen Pflanzen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, die ihre Energieversorgung über möglichst kurze Wege bewerkstelligen können, also energieeffizient aufgebaut sind.

Nur in der Wirtschaft ist man der Meinung, dass es sinnvoller ist, die Prinzipien eines dörflichen Bauernmarktes einfach nur auf die ganze Welt hochzuskalieren.

Mit der Modularisierung ist allerdings keine funktionale Aufteilung gemeint, also in einer Art wie ' Deutschland entwirft Autos ', ' Indien macht Software ', ' China wird die Fabrik der Welt '. Das wäre eine Aufteilung, wie sie sich nach dem gängigen Wirtschaftsmodell des komparativen Kostenvorteils ergibt. Das Modell der funktionalen Programmierung hat es in der Informatik auch gegeben. Dort hat es sich aber als sinnvoller ergeben, nicht nur die Funktionen, sondern auch die Daten zu modularisieren und als Objekte möglichst eigenständig zu machen . Diesen Wechsel von der funktionalen zur objektorientierten Arbeitsweise müssen wir in der Weltwirtschaft auch vollziehen.

Übertragen auf die Wirtschaft würde das bedeuten, kleineren Wirtschaftsregionen eine möglichst große Eigenständigkeit zu ermöglichen, statt alles Wirtschaften auf den Weltmarkt auszurichten .

Eine Bevorzugung lokaler Kreisläufe wäre auch kein Rückfall in den Protektionismus , weil nicht gezielt unerwünschte Produkte blockiert oder verteuert werden, sondern allgemein auf verbrauchsnahe Produktion Wert gelegt würde. Diese Lokalitätspriorität könnte jedes Land realisieren, ohne dass es zu Handelskriegen kommt . Die Höhe der Besteuerung könnte sich von selbst einpendeln, weil ja auch erwünschte Importe von Waren, die es intern nicht gibt, von hohen Steuern betroffen wären.

Diese  Lokalitätspriorität wäre vielmehr eine Art Synthese oder goldener Mittelweg zwischen Protektionismus und völlig unkontrolliertem Freihandel , der die Nachteile beider Extreme vermeiden würde. Wie sich das System auswirkt, hängt dabei völlig von den einstellbaren Sätzen ab. Es ließe sich damit paraktisch jeder Zustand zwischen Freiwirtschaft (gleich hohe Sätze für alle Entfernungen) und Abschottung (1000% auf alles aus dem Ausland) einstellen. Klassischer Protektionismus wäre aber nicht möglich, weil sich weder ein bestimmtes Produkt, noch eine Firma, noch ein Land gezielt angreifen ließen.

Diese Abgaben sollen natürlich nicht den weltweiten Handel verhindern, sondern sie könnten zu einer Dezentralisierung und Streuung der Produktionsstätten führen, weil es dann wirtschaftlich günstiger wäre, nahe am Verbraucher zu produzieren. Diese Dezentralisierung der Produktion würde weltweit verstreut Arbeitsplätze schaffen, und wäre auch aus Sicherheitsgründen sinnvoller. Vor einigen Jahren wäre die Produktion von Mikrochips fast zum Erliegen gekommen, weil Erdbeben die weltweit einzigen, wenigen Fabriken in Südostasien stark beschädigt hatten.

Walden Bello nennt dieses Vorgehen 'Entglobalisierung' oder 'Deglobalisierung' (engl. ' De-Globalization '), Colin Hines (beide Mitglieder des IFG ) nennt es Localization . Ich finde diese Namen ungeschickt gewählt, weil sie einen kompletten Rückzug ins Regionale, Lokale oder Nationale vermuten lassen, was ja nicht zutrifft. Darum bevorzuge ich den Namen ' Modulare Wirtschaft ' oder ' Lokalitätspriorität '. Das Dokument von Colin Hines bietet aber eine sehr gute Zusammenfassung der Gründe für eine Lokalisierung oder Modularisierung der Wirtschaft .

Das Prinzip der Förderung lokaler Kreislaufwirtschaft wurde auch schon für Maßnahmen der Agenda21 als sinnvoll anerkannt.

Eine andere Möglichkeit, eine Lokalitätspriorität einzuführen , wäre eine erhebliche Verteuerung der Transporte . Würden die Transportkosten einen erheblichen Teil der Preise ausmachen, würde das auch zu einem Vorteil lokaler Produktionen führen.

Die Verteuerung des Erdöls durch die rasant gestiegene Nachfrage in China und die höheren Kosten für die Erschließung der verbliebenen Lagerstätten könnte von selbst zu diesem Effekt führen. Allerdings befürchte ich, dass es eher zu harten Auseinandersetzungen um die letzten Felder kommen wird, als dass sich die Wirtschaft auf verbrauchsnahe Produktion umstellt. Eine abrupte Erhöhung der Transportkosten mit dem expliziten Ziel der Modularisierung könnte durch eine Anrechnung der ökologischen Schäden der Transporte erfolgen.



Letzte Anpassung: 2008-06-16